Five poems of Else Lasker-Schüler translated by Janine Marie Schwab
MUTTER
Ein weißer Stern singt ein Totenlied
In der Julinacht.
Wie Sterbegeläut in der Julinacht.
Und auf dem Dach die Wolkenhand,
Die streifende feuchte Schattenhand
Sucht nach meiner Mutter.
Ich fühle mein nacktes Leben,
Es stößt sich ab vom Mutterland,
So nackt war nie mein Leben,
So in die Zeit gegeben,
Als ob ich abgeblüht
Hinter des Tages Ende,
Zwischen weiten Nächten stünde,
Alleine.
MOTHER
A white star sings a death song
In the July night,
Like death chime in the July night.
And on the roof the cloud hand,
The stroking, damp shadow hand
Is searching for my mother.
I feel my naked life,
It frees itself from the motherland,
My life was never so naked,
So given to time
As if I stood, withered,
Beyond the end of the day
Between wide nights,
Alone.
EROS
O, ich liebte ihn endlos!
Lag vor seinen Knie’n
Und klagte Eros
Meine Sehnsucht.
O, ich liebte ihn fassungslos.
Wie eine Sommernacht
Sank mein Kopf
Blutschwarz auf seinen Schoss
Und meine Arme umloderten ihn.
Nie schürte sich so mein Blut zu Bränden,
Gab mein Leben hin seine Händen,
Und er hob mich aus schwerem Dämmerweh.
Und alle Sonnen sangen Feuerlieder
Und meine Glieder
Glichen
Irrgewordenen Lilien.
EROS
Oh, I loved him endlessly!
Laid before his knees
And complained to Eros
Of my longing.
Oh, I loved him crazedly.
Like a summer night
My head sank
Blood black onto his lap
And my arms burned onto him.
Never was my blood so stirred to firebrand,
I surrendered my life to his hands,
And he raised me out of heavy twilight pain.
And all suns sang songs of fire
And my limbs
Were like
Bent lilies.
MEIN VOLK
Der Fels wird morsch,
Dem ich entspringe
Und meine Gotteslieder singe...
Jäh stürz ich vom Weg
Und riesele ganz in mir
Fernab, allein über Klagegestein
Dem Meer zu.
Hab mich so abgeströmt
Von meines Blutes
Mostvergorenheit.
Und immer, immer noch der Wiederhall
In mir,
Wenn schauerlich gen Ost
Das morsche Felsgebein,
Mein Volk,
Zu Gott schreit.
MY PEOPLE
The cliff is crumbling
That I spring from
And sing my songs of God…
I fall headlong from the path
And flutter just in myself
Far away, alone over wailing stone
To the sea.
I have flowed so far away
From my own blood’s
Fermentation.
And always, always still cries the Echo
In me,
When the crumbling cliff wall,
My people,
Calls out horribly to God
ICH WEISS
Ich weiß, daß ich bald sterben muß
Es leuchten doch alle Bäume
Nach langersehntem Julikuß –
Fahl werden meine Träume –
Nie dichtete ich eine trüberen Schluß
In den Büchern meiner Reime,
Eine Blume brichst du mir zum Gruß –
Ich liebte sie schon im Keime.
Doch ich weiß, daß ich bald sterben muß.
Mein Odem schwebt über Gottes Fluß –
Ich setze leise meinen Fuß
Auf den Pfad zum ewigen Heime.
I KNOW
I know that I will die soon
All the trees are shining
For the long-awaited July kiss –
Barren are my dreams –
Never did I compose such a melancholy ending
In the books of my verse.
You break a flower for me as a greeting –
I loved it already in the seed.
But I know that I must die soon.
My breath hovers over God’s river –
I set my foot lightly
On the path to my eternal home.
WELTENDE
Es ist ein Weinen in der Welt,
Als ob der liebe Gott gestorben wär,
Und der bleierne Schatten, der niderfällt,
Lastet grabesschwer.
Komm, wir wollen uns näher verbergen....
Das Leben liegt in aller Herzen
Wie in Särgen.
Du! wir wollen uns tief küssen –
Es pocht eine Sehnsucht an die Welt,
An der wir sterben müssen.
END OF THE WORLD
There is a crying in the world,
As if the dear Lord had died,
And the leaden Shadow, that falls,
Weighs heavy as a grave.
Come, we want to huddle close together...
Life lies in all hearts
Like in coffins.
You! We want to kiss deeply –
A longing throbs onto the world
That is killing us.